Letzte Aktualisierung: 14-07-2022
Deutschland Vorsorge-Portal
1
Ist Ihr Land Vertragsstaat des Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996? Wann ist dieses in Kraft getreten?
Ja, dieses Übereinkommen ist für Deutschland am 01.01.2011 in Kraft getreten.
1.1 Welches Recht ist auf Fragen in Bezug auf das Sorgerecht und die gesetzliche Vertretung von Minderjährigen anwendbar? Welche Kriterien werden zur Bestimmung des anwendbaren Rechts herangezogen?
Das anwendbare Recht bestimmt sich primär nach dem Haager Kinderschutzübereinkommen vom 19. Oktober 1996, soweit keine vorrangigen Staatsverträge zu berücksichtigen sind.
Nach dem Haager Kinderschutzübereinkommen ist gem. Art. 15 das Recht am Ort des zuständigen Gerichts sofern es um gerichtliche Schutzmaßnahmen geht und gem. Art. 16 Abs. 1, 17 für die Zuweisung, die Ausübung und das Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes maßgeblich. Ein renvoi (Rück- oder Weiterverweisung) ist ausgeschlossen.
Sofern das Haager Kinderschutzübereinkommen das anwendbare Recht nicht bestimmt, ist nach deutschem Kollisionsrecht Art. 21 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) maßgeblich. Dieser verweist auf das Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Als Staatsvertrag vorrangig zu beachten ist das deutsch-persische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 (RGBl 1930 II 1002, 1006; 1931 II 9; BGBl 1955 II 829), welches jedoch nur Anwendung findet, wenn alle Beteiligten (Mutter, Kind, Ehemann der Mutter) ausschließlich iranische Staatsangehörige sind.
1.2 Welche Behörde ist international und örtlich in Sorgerechtsfragen zuständig?
Die internationale Zuständigkeit richtet sich primär nach der Brüssel IIa-VO (EG 2201/2003), wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat (Art. 61).
Nach der Verordnung ist grundsätzlich das Gericht zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 8). Sollte die Brüssel IIa-VO nicht greifen, so richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem Haager Kinderschutzübereinkommen vom 19. Oktober 1996, welches das Gericht am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes als international zuständig benennt (Art. 5). Nur subsidiär ist § 99 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) anwendbar, welcher die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet, wenn das Kind Deutscher ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
In Deutschland ist das Amtsgericht – Abteilung Familiengericht – regelmäßig am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes zuständig (§ 152 FamFG http://www.gesetze-im-internet.de/famfg/_152.html).
1.3 Welche Behörde ist international und örtlich in Vertretungsfragen zuständig?
Aus deutscher Sicht wird im Internationalen Privatrecht nicht zwischen Sorge- und Vertretungsrecht unterschieden, daher gilt das oben Genannte.
2
Bis zu welchem Alter gilt eine Person als minderjährig? Gibt es verschiedene Abstufungen der Geschäftsfähigkeit bei Minderjährigen (z.B. beschränkte Geschäftsfähigkeit)?
Die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit wird im deutschen Recht mit Vollendung des 18. Lebensjahres erreicht.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird grundsätzlich zwischen zwei Phasen unterschieden. Von Geburt bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres ist das Kind geschäftsunfähig und kann selbst keine Rechtsgeschäfte vornehmen.
In der Phase nach Vollendung des siebten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres besteht die sogenannte beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 106 ff. BGB). In dieser Zeit können durch den Minderjährigen wirksame Rechtsgeschäfte vorgenommen werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegt, der beschränkt Geschäftsfähige durch das Rechtsgeschäft lediglich einen rechtlichen Vorteil (auf eine wirtschaftliche Betrachtung kommt es nicht an) erlangt (wie z.B. grundsätzlich bei der Schenkung) oder das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen rechtlich neutral ist (z.B. das Handeln als Stellvertreter).
2.1 Besteht in einigen Fällen die Möglichkeit zur Erweiterung der Geschäftsfähigkeit von Minderjährigen (z.B. das Recht zur Eheschließung oder zur Errichtung eines Testaments)?
Ja.
2.1.1 Ist für die Erweiterung der Geschäftsfähigkeit ein (gerichtlicher) Beschluss erforderlich? Wenn ja, wer ist für die Beschlussfassung zuständig?
Der Minderjährige kann mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und des Familiengerichtes bereits selbständig ein Erwerbsgeschäft betreiben und gilt dann für alle mit diesem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden Rechtsgeschäfte als unbeschränkt geschäftsfähig (§ 112 BGB).
Der Minderjährige kann mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters außerdem bereits in ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis treten und gilt dann für alle mit diesem Rechtsverhältnis zusammenhängenden Rechtsgeschäfte als unbeschränkt geschäftsfähig (§ 113 BGB).
Das Eingehen einer Ehe durch einen minderjährigen Ehegatten (siehe unten unter 2.1.2) führt nicht zu dessen Geschäftsfähigkeit; das Prinzip „Ehe macht mündig“ ist dem deutschen Recht fremd.
2.1.2 Bitte führen Sie die Rechtsgeschäfte auf, die ein Minderjähriger allein tätigen kann (z.B. die Errichtung eines Testaments) und legen Sie dar, ob die Zustimmung einer anderen Person oder Behörde für solche Rechtsgeschäfte eingeholt werden muss.
Der Minderjährige kann, ohne dass die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder des Gerichts erforderlich wäre, nach Vollendung des 16. Lebensjahres ein Testament errichten (§ 2229 BGB). Allerdings kann dieses grundsätzlich nur vor dem Notar erfolgen (§ 2233 BGB), um eine rechtliche Beratung und Belehrung sicherzustellen.
Der Minderjährige kann, sofern er das 16. Lebensjahr vollendet hat, mit Genehmigung des Familiengerichtes eine bereits volljährige Person heiraten (§ 1303 BGB). Diese Ausnahme gilt nicht für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, hier ist die Volljährigkeit beider Partner erforderlich.
3
Wem steht in der Regel das Sorgerecht für eine minderjährige Person zu?
Grundsätzlich haben beide Eltern, sofern sie miteinander verheiratet sind, gemeinsam das Sorgerecht (§ 1626 Absatz 1 BGB).
Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, kann durch Erklärung der Eltern, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen, das gemeinsame Sorgerecht begründet werden (§ 1626a BGB). Alternativ kann ein Elternteil bei Gericht den Antrag auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge stellen. Diesem Antrag wird stattgegeben, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Wenn die gemeinsame Sorge nicht begründet wird, steht der Mutter das alleinige Sorgerecht zu (§ 1626a Absatz 3 BGB).
Leben die Eltern trotz gemeinsamer Sorge dauerhaft getrennt, so hat der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, die Befugnis zur alleinigen Sorge in Angelegenheiten des täglichen Lebens; für Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ist ein gegenseitiges Einvernehmen der sorgeberechtigten Eltern erforderlich (§ 1687 BGB). Alternativ kann jeder Elternteil im Falle des Getrenntlebens den Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorgeberechtigung stellen. Diesem Antrag wird nur unter bestimmten Voraussetzungen stattgegeben (§ 1671 BGB).
Das Familiengericht kann jederzeit Anordnungen zur Sorge treffen, insbesondere dann, wenn das Wohl oder das Vermögen des Kindes gefährdet ist.
Wenn bei gemeinsamer Sorgeberechtigung ein Sorgeberechtigter wegfällt, so steht das Sorgerecht grundsätzlich dem verbleibenden Elternteil alleine zu.
War nur ein Elternteil sorgeberechtigt und fällt dieser nun weg, so ist die Sorgeberechtigung durch das Gericht grundsätzlich auf den anderen noch vorhandenen Elternteil zu übertragen, sofern dies mit dem Kindeswohl in Einklang steht (§ 1680 Abs. 2 BGB). Entspricht die Übertragung der Sorgeberechtigung auf den verbleibenden Elternteil nicht dem Kindeswohl, so hat das Gericht einen Vormund zu bestellen.
Fallen beide Elternteile weg, so hat das Gericht von Amts wegen einen Vormund zu bestellen.
3.1 Welche Bereiche umfasst das Sorgerecht?
z.B. Vermögenssorge, Personensorge
Das Sorgerecht ist weit gefasst und umfasst sowohl die Personen- als auch die Vermögenssorge. Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (§ 1631 Absatz 1 BGB). Sie erfasst darüber hinaus das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der er es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält, sowie das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen (§ 1632 BGB).
Ein Erblasser oder Schenker kann bei der Zuwendung bestimmen, dass die Eltern das dem Kind zugewendete Vermögen nicht verwalten dürfen (§ 1638 BGB). Die Vermögenssorge erstreckt sich dann nicht auf dieses Vermögen.
Die elterliche Sorge erstreckt sich darüber hinaus nicht auf Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist (§ 1630 Absatz 1 BGB).
Das Familiengericht kann jederzeit Anordnungen zur Sorge treffen, insbesondere dann, wenn das Wohl oder das Vermögen des Kindes gefährdet ist.
Zu Einschränkungen mit Blick auf die Berechtigung der Eltern, ihr Kind im Rechtsverkehr zu vertreten, siehe unten unter 4.2.
3.2 Wer ernennt den Vormund bzw. die Vormünder, wenn entweder ein Elternteil/Vormund oder beide Elternteile bzw. Vormünder handlungsunfähig werden (z.B. im Todesfall oder beim Verlust der Geschäftsfähigkeit)?
3.2.1 Auf wessen Vorschlag und wann wird jemandem das Sorgerecht zugesprochen?
3.2.2 Kann die zuständige Behörde einen neuen Vormund frei wählen?
3.2.3 Können mehrere Personen gleichzeitig das Sorgerecht haben? Ist es möglich, verschiedene Vormünder für verschiedene Bereiche einzusetzen (Vermögenssorge/Personensorge)?
War nur ein Elternteil sorgeberechtigt und fällt dieser nun weg, so ist die Sorgeberechtigung durch das Gericht grundsätzlich auf den anderen noch vorhandenen Elternteil zu übertragen, sofern dies mit dem Kindeswohl in Einklang steht (§ 1680 Abs. 2 BGB). Entspricht die Übertragung der Sorgeberechtigung auf den verbleibenden Elternteil nicht dem Kindeswohl, so hat das Gericht einen Vormund zu bestellen.
Fallen beide Elternteile weg, so hat das Gericht von Amts wegen einen Vormund zu bestellen. Dabei ist vorrangig derjenige zum Vormund zu bestellen, der von dem zuletzt versterbenden sorgeberechtigten Elternteil benannt wurde. Liegt keine Benennung vor, so soll das Gericht die im Gesetz genannten Kriterien (§§ 1779 ff. BGB) berücksichtigen, um einen geeigneten Vormund auszuwählen. Dabei soll grundsätzlich nur ein Vormund bestellt werden, es sei denn ein Ehepaar wird gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt.
Der Vormund hat grundsätzlich die Personen- und Vermögenssorge für das Kind inne und darf dieses entsprechend vertreten. Dabei unterliegt er gewissen gerichtlichen Genehmigungserfordernissen (z.B. §§ 1821, 1822 BGB), darf bestimmte Geschäfte nicht abschließen (z.B. höchstpersönliche Rechtsgeschäfte oder Schenkungen gem. § 1804 BGB) und ist in bestimmten Bereichen von der Vertretungsmacht ausgeschlossen (z.B. §§ 1795, 181 BGB).
In der Regel ist ein sogenannter Gegenvormund zu bestellen, der die pflichtgemäße Führung der Vormundschaft durch den Vormund zu überwachen hat.
3.3 Wie und von wem wird einer Person das Sorgerecht in dem Fall zugesprochen, dass sich die Eltern um ebendieses streiten? Wird hierbei zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren unterschieden?
Streitigkeiten über die elterliche Sorge werden sowohl für miteinander verheiratete als auch für nicht miteinander verheiratete Eltern vom Amtsgericht – Abteilung Familiengericht – entschieden.
3.4 Kann das Sorgerecht durch eine Vollmacht auf eine andere Person übertragen werden?
Nein
Eine Übertragung des Sorgerechts durch eine Vollmacht sieht das deutsche Recht grundsätzlich nicht vor. Bei dem Sorgerecht handelt es sich nicht nur um ein Recht, sondern auch um eine höchstpersönliche Pflicht der Eltern, derer sie sich nicht entledigen können (§ 1626 Abs. 1 BGB). Allerdings können die Eltern Dritte widerruflich zur tatsächlichen Ausübung der Personensorge in bestimmten Fällen bevollmächtigen.
4
Wem steht in der Regel das Recht zur gesetzlichen Vertretung einer minderjährigen Person zu?
Die gesetzliche Vertretungsbefugnis ist Teil der elterlichen Sorge. Daher vertreten die Eltern bei gemeinsamem Sorgerecht auch grundsätzlich gemeinschaftlich. Obliegt das Sorgerecht nur einem Elternteil, so vertritt er das Kind allein.
Ungeachtet der gemeinschaftlichen Vertretungsbefugnis ist jeder Elternteil alleine zum Empfang von Erklärungen, die gegenüber dem Minderjährigen abzugeben sind, befugt (§ 1629 Abs. 1 S. 2, 2. HS BGB) und kann bei Gefahr im Verzug die Vertretung des Kindes alleine vornehmen (§ 1629 Abs. 1 S. 4 BGB).
4.1 Wer ernennt die gesetzlichen Vertreter, wenn entweder ein Elternteil oder beide Elternteile bzw. andere Personen handlungsunfähig werden (z.B. im Todesfall oder bei Verlust der Geschäftsfähigkeit)?
4.1.1 Auf wessen Vorschlag und wann wird der Beschluss über die Ernennung eines gesetzlichen Vertreters gefasst?
4.1.2 Kann die zuständige Behörde einen neuen gesetzlichen Vertreter frei wählen?
4.1.3 Können mehrere Personen das Recht zur gesetzlichen Vertretung haben? Ist es möglich, jeweils verschiedene Vertreter für verschiedene Bereiche zu bestimmen?
Die Vertretungsmacht ist grundsätzlich Teil des Sorgerechts. Die Ausführungen unter 3.2 gelten daher entsprechend.
4.2 Unterliegt die Vertretungsbefugnis des bzw. der gesetzlichen Vertreter bestimmten Beschränkungen oder weiteren Bestimmungen?
Ja, das deutsche Recht sieht eine Reihe von Ausnahmen vor.
4.2.1 Gibt es bestimmte Bereiche, in denen der gesetzliche Vertreter nicht vertretungsbefugt ist (z.B. bei der Errichtung eines Testaments oder der Eheschließung)?
Die gesetzlichen Vertreter (Eltern) dürfen keine höchstpersönlichen Rechtsgeschäfte (wie beispielsweise die Eingehung der Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft, das Abfassen eines Testamentes oder der Abschluss eines Erbvertrages) für den Minderjährigen abschließen. Darüber hinaus dürfen sie als Vertreter grundsätzlich keine Schenkungen machen (§ 1641 BGB).
4.2.2 Besteht eine Verbindung zwischen dem Sorgerecht und dem Recht zur gesetzlichen Vertretung (gilt die Vertretungsbefugnis z.B. nur in bestimmten Sorgerechtsbereichen)? Für den Fall, dass beide Eltern das Sorgerecht haben: Wäre es möglich, dass nur einem Elternteil das Recht auf die gesetzliche Vertretung bei Rechtsgeschäften, die einen Vermögenswert der minderjährigen Person beinhalten, zusteht?
Die gesetzliche Vertretungsbefugnis ist Teil der elterlichen Sorge. Daher vertreten die Eltern bei gemeinsamem Sorgerecht auch grundsätzlich gemeinschaftlich. Obliegt das Sorgerecht nur einem Elternteil, so vertritt er das Kind allein (§ 1629 Absatz 1 BGB).
Ungeachtet der gemeinschaftlichen Vertretungsbefugnis ist jeder Elternteil alleine zum Empfang von Erklärungen, die gegenüber dem Minderjährigen abzugeben sind, befugt und kann bei Gefahr in Verzug die Vertretung des Kindes alleine vornehmen.
Leben die Eltern trotz gemeinsamer Sorge dauerhaft getrennt, so hat der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, die Befugnis zur alleinigen Sorge in Angelegenheiten des täglichen Lebens, darf mithin das Kind bei Geschäften des täglichen Bedarfs alleine vertreten; für Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ist ein gegenseitiges Einvernehmen der sorgeberechtigten Eltern erforderlich (§ 1687 BGB): eine Vertretung ist nur gemeinschaftlich möglich.
Das Familiengericht kann jederzeit Anordnungen zur Sorge und auch mit Auswirkungen auf die Vertretungsmacht treffen, insbesondere dann, wenn das Wohl oder das Vermögen des Kindes gefährdet ist.
4.2.3 Ist es erforderlich, dass alle gesetzlichen Vertreter die Rechtsgeschäfte gemeinsam im Namen der minderjährigen Person tätigen (z.B. beide Elternteile gemeinsam) oder kann ein Rechtsgeschäft durch einen gesetzlichen Vertreter der minderjährigen Person allein getätigt werden (z.B. durch einen Elternteil allein)?
4.2.3.1 Bitte nennen Sie die Rechtsgeschäfte (z.B. Erbausschlagung), die ein gesetzlicher Vertreter (z.B. ein Elternteil) im Namen der minderjährigen Person eingehen darf, wenn er oder sie allein tätig wird.
4.2.3.2 Bitte nennen Sie die Rechtsgeschäfte (z.B. Erbausschlagung), welche die gesetzlichen Vertreter (z.B. beide Elternteile) nur gemeinsam im Namen der minderjährigen Person eingehen dürfen.
4.2.3.3 Würde es im Hinblick auf das Erfordernis der gemeinsamen Vertretung, einen Unterschied machen, wenn die Eltern niemals verheiratet waren?
Grundsätzlich müssen für alle Rechtsgeschäfte beide Eltern gemeinsam handeln, wenn ihnen das Vertretungsrecht gemeinschaftlich zusteht. Ein Handeln nur eines Elternteils ist aber beispielsweise möglich, wenn der andere ihn zur alleinigen Vertretung bevollmächtigt hat, welches in der Regel auch mündlich oder konkludent erfolgen kann.
4.2.4 Weitere Beschränkungen für gesetzliche Vertreter:
4.2.4.1 Besteht ein Erfordernis der Zustimmung zum Rechtsgeschäft durch eine andere Person oder Behörde (z.B. durch ein Elternteil, ein Gericht oder die lokale Regierung)? Welche Formvorschriften gelten für eine solche Zustimmung?
Für bestimmte Rechtsgeschäfte bedürfen die Eltern der Genehmigung des Familiengerichtes.
Die familiengerichtliche Genehmigung wird nur auf Antrag erteilt. Zuständig ist das Amtsgericht – Abteilung Familiengericht – am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes (§ 152 FamFG).
4.2.4.2 Nennen Sie die Rechtsgeschäfte, die die gesetzlichen Vertreter der minderjährigen Person nur mit der Zustimmung eines Gerichts oder einer anderen gesetzlich berufenen Behörde bzw. Person eingehen können.
Der Genehmigung des Familiengerichts bedarf aus dem Bereich der Vermögenssorge insbesondere (vgl. § 1643 BGB):
- die Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück (mit Ausnahme von Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden);
- die Verfügung über eine Forderung, die auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder auf Begründung oder Übertragung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Befreiung eines Grundstücks von einem solchen Recht gerichtet ist;
- die Verfügung über ein eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk oder über eine Forderung, die auf Übertragung des Eigentums an einem eingetragenen Schiff oder Schiffsbauwerk gerichtet ist;
- die Eingehung einer Verpflichtung zu einer der zuvor bezeichneten Verfügungen;
- ein Vertrag, der auf den entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks, eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks oder eines Rechts an einem Grundstück gerichtet ist;
- ein Rechtsgeschäft, durch das das Kind zu einer Verfügung über sein Vermögen im Ganzen oder über eine ihm angefallene Erbschaft oder über seinen künftigen gesetzlichen Erbteil oder seinen künftigen Pflichtteil verpflichtet wird, sowie zu einer Verfügung über den Anteil des Kindes an einer Erbschaft;
- ein Vertrag, der auf den entgeltlichen Erwerb oder die Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts gerichtet ist, sowie zu einem Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird;
- ein Miet- oder Pachtvertrag oder einem anderen Vertrag, durch den das Kind zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, wenn das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes fortdauern soll;
- die Aufnahme von Geld auf den Kredit des Kindes;
- die Ausstellung einer Schuldverschreibung auf den Inhaber oder zur Eingehung einer Verbindlichkeit aus einem Wechsel oder einem anderen Papier, das durch Indossament übertragen werden kann;
- die Übernahme einer fremden Verbindlichkeit, insbesondere zur Eingehung einer Bürgschaft;
- die Erteilung einer Prokura;
- die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses sowie für den Verzicht auf einen Pflichtteil. Tritt der Anfall an das Kind erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils ein, der das Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil vertritt, so ist die Genehmigung nur erforderlich, wenn dieser neben dem Kind berufen war.
Darüber hinaus können auch Maßnahmen der Personensorge eine Genehmigung durch das Familiengericht erforderlich machen (z.B. eine Unterbringung des Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, § 1631b BGB).
4.2.4.3 Wird für den Fall, dass die Zustimmung einer anderen Person (z.B. des anderen Elternteils) oder einer Behörde (z.B. des Gerichts) für das Rechtsgeschäft erforderlich sein sollte, unterschieden, ob die Zustimmung vor oder nach dem Abschluss des Rechtsgeschäfts erteilt wurde? Welche Rechtsfolgen ergeben sich für das Rechtsgeschäft, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung verweigert wird?
Die Genehmigung des Familiengerichts kann bereits vor Abschluss des Rechtsgeschäfts erteilt werden. In der Regel wird sie aber erst danach eingeholt. Lediglich bei einseitigen Rechtsgeschäften muss sie im Grundsatz bereits vor der Vornahme vorliegen. Ein ohne die erforderliche Genehmigung vorgenommenes Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam und wird nach der Verweigerung der Genehmigung ganz unwirksam. Der Vertragspartner kann die Eltern bzw. den Vormund zur Mitteilung auffordern, ob die Genehmigung des Familiengerichts erteilt ist; nach dieser Aufforderung kann die Mitteilung der Genehmigung nur bis zum Ablauf von vier Wochen erfolgen; erfolgt sie nicht, gilt die Genehmigung als verweigert (§ 1829 BGB).
4.2.4.4 Gibt es bestimmte Fälle, in denen die gesetzlichen Vertreter nicht tätig werden sollen (z.B. beim Abschluss eines Vertrags mit einem Elternteil oder einem Familienmitglied im Namen der minderjährigen Person)?
In bestimmten Fällen sind die Eltern von der Vertretungsbefugnis ausgeschlossen. Der Vater oder die Mutter können das Kind insbesondere nicht vertreten (§ 1629 Abs. 2 S. 1 iVm § 1795 BGB):
- bei einem Rechtsgeschäft zwischen seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Kind andererseits, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht;
-
bei einem Rechtsgeschäft, das die Übertragung oder Belastung einer durch Pfandrecht, Hypothek, Schiffshypothek oder Bürgschaft gesicherten Forderung des Kindes gegen ein Elternteil oder die Aufhebung oder Minderung dieser Sicherheit zum Gegenstand hat oder die Verpflichtung des Kindes zu einer solchen Übertragung, Belastung, Aufhebung oder Minderung begründet;
-
bei einem Rechtsstreit zwischen den unter dem ersten Spiegelstrich bezeichneten Personen sowie bei einem Rechtsstreit über eine Angelegenheit der im zweiten Spiegelstrich bezeichneten Art; sowie
-
soweit ihnen nicht ein anderes gestattet ist, im Namen des Kindes mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht (§ 181 BGB).
In diesen Fällen müssen die Eltern das Erfordernis einer Pflegschaft dem Familiengericht anzeigen, welches einen Ergänzungspfleger bestellt (§ 1909 BGB). Dieser nimmt die Interessen des Kindes wahr und vertritt es entsprechend.
Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ersetzt nicht die Genehmigung des Gerichts in den Fällen, in denen eine Genehmigung erforderlich ist (siehe oben unter 4.2.4.2).
4.3 Gibt es darüber hinaus weitere Einschränkungen in Bezug auf die Rechte Minderjähriger (z.B. das Erbrecht) für diejenigen Personen, die das Sorgerecht oder das Recht zur gesetzlichen Vertretung für eine minderjährige Person haben?
Ein Erblasser oder Schenker kann bei der Zuwendung bestimmen, dass die Eltern das zugewendete Vermögen nicht verwalten dürfen (§ 1638 BGB). Die Vermögenssorge und mithin die Vertretungsbefugnis erstreckt sich dann nicht auf dieses Vermögen.
4.4 Kann die Befugnis zur Vertretung der minderjährigen Person einer anderen Person durch eine Vollmacht übertragen werden?
Ja
4.4.1 Ist die Zustimmung aller gesetzlichen Vertreter für eine solche Übertragung erforderlich?
4.4.2 Unterliegt eine solche Vollmacht bestimmten Beschränkungen (z.B. dahingehend, dass die Vertretungsbefugnis nicht vollständig oder nur in Bezug auf bestimmte Rechtsgeschäfte übertragen werden kann)?
4.4.3 Welche Formvorschriften gelten für eine solche Vollmacht?
Der gesetzliche Vertreter darf andere Personen bevollmächtigen (z.B. eine Prozessvollmacht an einen Anwalt erteilen). Üben beide Eltern gemeinschaftlich die Vertretung aus, so müssen beide die dritte Person bevollmächtigen. Auch eine Generalvollmacht ist, sofern sie widerruflich ausgestaltet ist, grundsätzlich zulässig.
Es bestehen grundsätzlich keine besonderen Formvorschriften, allerdings muss die Vollmacht je nach abzuschließendem Rechtsgeschäft bestimmte formelle Anforderungen erfüllen.
Für den Bevollmächtigten gelten dieselben Beschränkungen wie für den gesetzlichen Vertreter.
5
Wie kann der Vormund bzw. der gesetzliche Vertreter seine Rechte nachweisen?
5.1 Sieht das Gesetz die Ausstellung eines bestimmten Dokuments zum Nachweis des Sorgerechts bzw. der Vertretungsbefugnis vor?
Für die gesetzlichen Vertreter (Eltern) existiert kein solches Dokument.
Der gerichtlich bestellte Vormund erhält eine Bestallungsurkunde, welche zum Nachweis seiner Befugnisse geeignet ist, aber keine materiell-rechtlichen Wirkungen oder Gutglaubensschutz entfaltet.
5.2 Gibt es weitere Dokumente zum Nachweis des Sorgerechts bzw. der Vertretungsbefugnis?
Durch die Geburtsurkunde kann nachgewiesen werden, wer die Eltern des Kindes sind. Die Geburtsurkunde eignet sich aber nicht zwangsläufig als Nachweis für das Sorgerecht oder die Vertretungsbefugnis und wird daher in der Praxis grundsätzlich nicht verwendet.
6
Wer ist gemäß des nationalen Rechts verantwortlich, die Einwilligung/ Genehmigung/ Erlaubnis für eine Reise eines minderjährigen Kindes ins Ausland zu erteilen für den Fall, dass nicht beide Eltern das Kind begleiten (z.B. ein Elternteil, beide Elternteile, der Vormund, eine Behörde, bitte angeben)?
6.1 Welches sind die Erfordernisse für die formelle Wirksamkeit einer solchen Einwilligung/ Genehmigung/ Erlaubnis?
Grundsätzlich umfasst das Sorgerecht auch das Recht den (gewöhnlichen) Aufenthalt des Minderjährigen zu bestimmen. Daher obliegt dem/den Sorgeberechtigten auch die Erklärung des Einverständnisses zu einer Reise ins Ausland. Sofern ein Elternteil nicht sorgeberechtigt ist, sondern nur das Recht zum (zeitliche begrenzten) Umgang hat, steht dem umgangsberechtigten Elternteil während des Umgangszeitraums grundsätzlich das alleinige Recht zu, den Aufenthaltsort zu bestimmen (z.B. Urlaub im Ausland).
Die Einverständniserklärung kann aus deutscher Sicht formlos erteilt werden, wobei eine mindestens schriftliche Fixierung sich, insbesondere zum Nachweis im Ausland sowie für die Reise in bestimmte Staaten (siehe auch Website des Auswärtigen Amtes unter „Reise- und Sicherheitshinweise“ des jeweiligen Landes), empfiehlt.
Weitere Informationen
Bundesnotarkammer : Mohrenstraße; 34 D – 10117 Berlin Deutschland
Tel.: +49 – (30) 3 83 86 60
bnotk@bnotk.de
Fax: +49 – (30) 38 38 66 66
www.bnotk.de